Hannelore Elsner: Abschied von einer Diva | WELTKUNST

2022-10-08 17:40:36 By : Ms. Nicole He

Neumeister widmet sich zum zweiten Mal der Mode berühmter Designer. Diesmal kommt die Garderobe von Hannelore Elsner zum Aufruf

Von Christiane Meixner 12.07.2021 / Erschienen in WELTKUNST Nr. 186

Verwegen ist dieses Oberteil aus der Pariser Boutique Christian Dior: asymmetrisch, mit Falten und Knöpfen an völlig sinnfreien Stellen und aus einem hellen Stoff, der aussieht, als wäre er ursprünglich mal eine Herrenweste gewesen. Auf 250 bis 300 Euro schätzt Neumeister das Bustier „Mousquetaire“, das ungetragen im Schrank von Hannelore Elsner hing. Sie hat dieses Couture-Experiment offenbar nie angehabt, sondern sich an glamourösen Abenden dann doch in Roben wie Yves Saint Laurents ärmellosem Schwarzen aus Seidengeorgette gezeigt (Schätzpreis: 1200 bis 1400 Euro).

Das raffinierte Kleid ist ebenfalls in der kommenden Sonderauktion Hannelore Elsner zu ersteigern, die das Münchner Haus kurz und prägnant „SHE“ nennt. Ein passender Titel, denn die 2019 verstorbene Schauspielerin verkörpert den Typus der lässigen und dennoch überschwänglichen Diva und wird uns so noch lange im Gedächtnis bleiben. Die Versteigerung, die Neumeister mit dem aufwendigen Magazin „SHE“ begleitet, zehrt von dieser Aura. Aber nicht nur. Die gut 1400 Lose erzählen dazu von einer Modeversessenen mit einem derart prall gefüllten Schrank, dass auch an anderen Extravaganzen noch das Etikett hängt: am nachtblauen, schlichten One-Shoulder-Kleid von Hugo Boss zum Schätzpreis von 200 bis 250 Euro ebenso wie am luxuriösen „Martingala Coat“ aus Kaschmir und Biberpelz, der einmal über 12 000 Euro gekostet hat und nun mindestens halb so viel bringen soll.

„Die Preise sind moderat“, sagt Susanne Richter von Neumeister. Bei der Übernahme der Garderobe, deren Versteigerung ein Wunsch der Schauspielerin gewesen ist, habe man zuerst an Elsners Fans gedacht, die sich ein Stück ihrer Garderobe sichern wollen. ­Inzwischen meldeten sich jedoch Modesammler aus aller Welt wegen Elsners Vintage-­Couture: Der Star hat sie über Jahrzehnte gesammelt. „Mode spielte im Leben von Hannelore Elsner eine Hauptrolle. Für Kleidung gab sie ein Vermögen aus“, konstatiert Neumeister-Chefin Katrin Stoll und fühlt sich angesichts der „immer neuen Verhüllungen, der Performance eines Role Models“ an die „body-performative Kunst von Yves Klein, Hermann Nitsch oder Charles Wilp“ erinnert. „In ihrer Garderobe finden sich die bestimmenden Designer der zweiten Hälfte des 20. und vom Beginn des 21. Jahrhunderts“, schreibt auch Modeexpertin Barbara Vinken im „SHE“-Magazin über Elsner. „Interessiert folgte sie den geistreichen Entwicklungen der Mode, die das Geschlechterverhältnis immer neu verhandeln: Yves Saint Laurent, Gaultier, Chanel oder Dolce & Gabbana, Jil Sander, Yamamoto oder Comme des Garçons – von ihnen allen finden sich in ihrer Garderobe interessante Exemplare.“

So gibt es einen zweiteiligen Gucci-Anzug aus Seide (800 bis 900 Euro), der Begehrlichkeiten weckt; ein bodenlanges Abendkleid von Dior aus den 90er-Jahren (700 bis 900 Euro) oder einen Blazer aus zwei Stoffqualitäten von Jean Paul Gaultier für Gibo aus den 80ern (350 bis 450 Euro). Anderes verdankt seine Prominenz den Filmen, in denen Elsner spielte. Die etwas biederen Rüschenkleider der Mutter von Rudolph Moshammer, die sie 2018 gab, beginnen bei 80 Euro. Genau wie ein Requisite aus „Die Unberührbare“ – ein cremefarbenes 1999er-Etuikleid von Rei Kawakubo, bei dem man schon prognostizieren kann, dass es den Schätzpreis weit überflügeln wird. In dem Drama aus dem Jahr 2000, für das sowohl Regisseur Oskar Roehler als auch die Schauspielerin vielfach ausgezeichnet wurden, verliert die Schriftstellerin Hanna Flanders alles, besteht aber auf dem Kauf eines Dior-Mantels. Jüngst erinnerte sich Roehler in einem Arte-Interview an die Dreharbeiten: Hannelore Elsner habe darauf bestanden, am Ku’damm bei Dior und Givenchy einzukaufen – obwohl es für solche Eskapaden überhaupt keinen Etat gab. „Pass mal auf, hat sie damals gesagt, wir machen einen Kinofilm, und ich will wunderschön sein.“ Gleichzeitig zog sie sich für die Rolle eine bombastische Perücke über, die wie schwarzer Beton auf ihrem Kopf saß.

So muss man sich Hannelore Elsner vorstellen, so wird sie von Freundinnen wie der Autorin Marie Waldburg im Magazin beschrieben: selbstbewusst, fordernd, intuitiv, diszipliniert beim Dreh und stets stilsicher. Letzteres stellte sie noch einmal mit dem Dress unter Beweis, das die Schauspielerin im Februar 2019 zur Filmpremiere von „Kirschblüten & Dämonen“ trug: Für ihren letzten Auftritt auf dem roten Teppich wählte sie einen schwarzen Mantel von Dries Van Noten, auf dem silberne Anemonen und hellblaue Baumwollblüten um die Wette leuchteten.

Neumeister inszeniert die schönsten Stücke wie in einem Film noir. Fotografiert wurde dafür unter anderem im Bayerischen Hof, wo Hannelore Elsner beim Deutschen Filmball 2018 im kupferfarbenen Zweiteiler von Jil Sander (1000 bis 1200 Euro) auf den Tisch stieg. Weit vorher hat sie die kleine Abendtasche aus Satin von Escada (100 bis 150 Euro) getragen – nämlich 2001 zur Verleihung des Deutschen Filmpreises. Auf einem von Neumeister inszenierten Foto ­liegen Tasche und Platzkarte wie zufällig arrangiert auf einem Marmortisch, daneben ein goldener Lippenstift und ein Aschenbecher mit der halb gerauchten, unvermeidlichen Gauloises. Als sei ihre Besitzerin nur kurz aufgestanden, um jemanden zu begrüßen, bevor sie wieder Platz nimmt. Lange wird es Elsner aber nicht auf ihrem Stuhl halten, es wartet doch noch so viel …

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Begleiten Sie unsere Chefredakteurin durch ihre Woche mit der Kunst. Immer freitags erwartet Sie ein ganz persönlicher Blick unserer Kunstexpertin auf ihre Wochenhighlights.

Hubert de Givenchy war nicht nur ein bekannter französischer Modeschöpfer, sondern auch ein exzellenter Kenner des 18. Jahrhunderts und begeisterter Kunstsammler. Rund 1200 Lose aus seinem Besitz kamen nun vom 8. bis 23. Juni bei Christie’s in Paris zum Aufruf – und erzielten mehrfach Zuschläge in Millionenhöhe. Ein François Girardon zugeschriebener Bacchus (um 1700), der zuvor Givenchys Schlafzimmer im Hôtel d’Orrouer schmückte, brachte 1,6 Millionen Euro, Joan Mirós Ölgemälde „Le passage de l’oiseau migrateur“ 5,75 Millionen Euro. Top-Zuschlag war eine 1955 entstandene „Femme qui marche“ von Alberto Giacometti – sie erzielte 23,5 Millionen Euro und überstieg damit sogar noch den Schätzpreis von 20 Millionen Euro.

Eine „Ruhende Quellnymphe“ von Lucas Cranach d. Ä. war der Star der großen Altmeister-Auktion bei Christie’s in London. Der Renaissance-Maler schuf von der betörend schönen Nymphe mindestes 18 Versionen. Eine davon, aus der Sammlung von Cecil und Hilda Lewis, wechselte nun nach einem spannenden Bietgefecht am Telefon seinen Besitzer. Der Hammer fiel bei 8 Millionen Pfund. Das 82,1 mal 120,5 Zentimeter große Bild aus dem Jahr 1480 erreichte damit seinen oberen Schätzpreis – und einen Auktionsrekord für Lucas Cranach d. Ä.!

Wer nach Baz Luhrmanns Biopic nicht genug bekommen kann von der All-Time-Legende Elvis Presley, darf sich auf eine besondere Versteigerung freuen: GWS Auctions in Agoura Hills, Kalifornien lädt am 27. August zur Auktion „The Lost Jewelry Collection of Elvis Presley and Colonel Tom Parker“. Zum Aufruf kommen mehr 25 Schmuckstücke aus dem Besitz der Musik-Ikone und seines Managers Parker, dazu mehr als 40 Stücke, die Elvis’ monumentale Karriere repräsentieren, etwa der „Speedway Racing Jumpsuit“, sowie über 120 Devotionalien, die ihm einst gehörten oder mit ihm in Verbindung stehen – darunter der Privatjet, den er einst seinem Vater Vernon schenkte.